Sonntag, 17. Juli 2011

Demo gegen NS-Kriegsverbrecher bleibt friedlich

ARTIKEL IM TAGESSPIEGEL VOM 17.07.2011

Rund 50 Menschen haben am Samstag in Reinickendorf die Auslieferung eines 91-jährigen Anwohners an Italien gefordert. Der Mann war in Italien in Abwesenheit wegen NS-Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
  
„Wir stehen hier vor Ihren Häusern, weil wir Ihren Nachbarn kennen“, schallt es von einem Demonstrationswagen mitten in einer idyllischen Reinickendorfer Reihenhaussiedlung. Der besagte Nachbar ist der 91-jährige Helmut O., ein verurteilter NS-Kriegsverbrecher, der in der näheren Umgebung wohnt. Rund 50 linke Demonstranten haben sich zu einer Kundgebung zusammengefunden. Sehr zum Erstaunen der Anwohner.
Denn von den Leuten, die in Hörweite der Kundgebung wohnen, hat niemand Helmut O. zum Nachbarn. Um die Privatsphäre von O. zu schützen, hatte die Polizei die Demonstration einige hundert Meter verlegt. Nur ein in unmittelbarer Nähe zu Helmut O.s Wohnung postierter Streifenwagen lässt die genaue Adresse erahnen. Während die Organisatoren der Kundgebung das Vorgehen der Polizei kritisieren, begrüßen einige Passanten die Verlegung. „Hier vorne an der Hauptstraße kriegen das doch viel mehr Leute mit“, bemerkt eine Frau.
Tatsächlich ernten die Demonstranten an der Lindauer Allee Ecke Klenzepfad viele neugierige Blicke. Die meisten Zuschauer haben sie wohl an den Fenstern der umliegenden Häuser, als sie über Lautsprecher von den Gräueltaten berichten, derer Helmut O. überführt sein soll. Ein Militärgericht in Italien hatte ihn im Juli zusammen mit sechs anderen Deutschen in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Ex-Wehrmachtssoldat O. soll 1944 an Massakern in Norditalien beteiligt gewesen sein, bei denen mindestens 350 Zivilisten ums Leben kamen. Die Demonstranten fordern die Auslieferung des Mannes an Italien.
Die meisten Anwohner sympathisieren am Sonnabend mit der Kundgebung. Für Verwirrung sorgt einzig das zentrale Kundgebungstransparent: „Hier wohnt ein verurteilter Nazi-Mörder“, steht darauf. Im ersten Moment fürchten einige Passanten, hier würden Rechtsradikale gegen jemanden demonstrieren, der Nazis ermordet hat. Die verteilten Flugblätter können die Situation jedoch schnell aufklären. Nur einen Kritikpunkt hat ein Anwohner: „Hier müssten 1000 Leute stehen und nicht bloß 50.“

Samstag, 16. Juli 2011

Kundgebung klärte AnwohnerInnen über NS-Kriegsverbrecher in ihrer Nachbarschaft auf

PRESSEMITTEILUNG DER AG REGGIO-EMILIA

Reinickendorf: 50 TeilnehmerInnen forderten Auslieferung von Helmut O. / Polizei droht mit Ordnungsgeld

Heute vormittag versammelten sich ca. 50 Menschen auf einer lautstarken Kundgebung unter dem Motto „Keine Ruhe für NS-Täter!“ am Klenzepfad in Reinickendorf. Sie forderten die Auslieferung des NS-Kriegsverbrechers Helmut O., der seit vielen Jahren unbehelligt ganz in der Nähe des Kundgebungsortes wohnt. Es wurden Flyer an PassantInnen verteilt, die sehr gemischte Reaktionen zeigten.

Letzten Donnerstag erst drohte die Versammlungsbehörde mit einem Verbot der Kundgebung, wenn der ursprüngliche Kundgebungsort am Becherweg/Lübener Weg nicht verlegt würde – als Grund nannte sie den Schutz der Privatsphäre des verurteilten Kriegsverbrechers. Die VeranstalterInnen sahen sich daher gezwungen auf eine Kreuzung weiter weg ausweichen.

Helmut O. wurde nach jahrelangem Prozess vor wenigen Tagen am 06. Juli vom Militärgericht Verona zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der ehemalige Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ an mindestens drei Massakern im Frühjahr 1944 in Norditalien beteiligt war. Dabei wurden mehr als 350 ZivilistInnen ermordet – darunter zu einem großen Teil Alte, Frauen und Kinder.

„Während die Opfer der Massaker einen grausamen und würdelosen Tod erlitten, verbringen die Täter einen ruhigen Lebensabend mitten unter uns. Sie müssen sich weder den Überlebenden noch den Angehörigen der Opfer stellen. Die Verantwortung dafür trägt die deutsche Regierung.“, so Anne Lepper von den VeranstalterInnen.

Deutschland weigert sich bis heute, NS-Kriegsverbrecher ohne ihr Einverständnis auszuliefern.

Bei dem Prozess handelte es sich voraussichtlich um einen der letzten NS-Prozesse dieser Größenordnung. Insgesamt wurden sieben Deutsche zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei wurden freigesprochen. Der Reinickendorfer Helmut O. war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad. Im gleichen Verfahren wurde die Bundesrepublik als Gesamtschuldnerin zu mehreren Millionen Schadensersatz an hunderte Angehörige der Opfer, norditalienische Provinzen und lokale Gemeindeverwaltungen verurteilt.

„Wir fordern die Auslieferung der Kriegsverbrecher und die sofortige Zahlung der Schadensersatzansprüche durch die deutsche Regierung. Die juristische Strafverfolgung der NS-Täter und die Anerkennung der von der Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen sind zwingende Voraussetzung, wenn Deutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit als aufgearbeitet betrachtet sehen will. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt!“, so Anne Lepper für die AG Reggio-Emilia.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Kundgebung darf nicht in Nachbarschaft des NS-Kriegsverbrechers stattfinden

PRESSEMITTEILUNG DER AG REGGIO-EMILIA

Aufklärung der AnwohnerInnen wird verhindert / Anwalt von Helmut O. eingeschaltet

Die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei droht am heutigen Donnerstag mit einem Flächenverbot für die angemeldete Kundgebung anlässlich der Verurteilung des Reinickendorfers NS-Kriegsverbrechers Helmut O. Aufgrund des Schutzes seiner Privatsphäre verlangte die Versammlungsbehörde die Verlegung außerhalb des Areals zwischen Lindauer Allee, Aroser Allee, Gotthardstraße und Ollenhauerstraße. Ursprünglich war die Kundgebung an der Kreuzung Becherweg/ Lübener Weg angemeldet, sie wird nun erzwungenermaßen Lindauer Allee/ Klenzepfad stattfinden.

Die Kundgebung verliert damit gänzlich den Bezug zur Nachbarschaft des Verurteilten. Mit dem angedrohten Verbot hat die Berliner Polizei das Ziel der Aufklärung der AnwohnerInnen erfolgreich vereitelt. Zu Kompromissen war sie nicht bereit.

„Die Berliner Polizei stellt sich mit der Verbotsandrohung in eine zynische Tradition deutscher Geschichte, in der NS-Kriegsverbrecher trotz Verurteilungen nicht ausgeliefert werden und ihren Lebensabend unbehelligt in unserer Nachbarschaft genießen können, ohne sich für die von ihnen begangenen Morde verantworten zu müssen“, so Rolf Kleiber, Sprecher der AG Reggio-Emilia.

Außerdem hat sich nach Informationen der Versammlungsbehörde nun auch der Anwalt des NS-Kriegsverbrechers Helmut O. eingeschalten. Er verlangt ein völliges Verbot der Kundgebung.

Das Militärgericht Verona hat am 06. Juli neben sechs weiteren Deutschen den ehemaligen Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war an mindestens drei Massakern im Frühjahr 1944 in Norditalien beteiligt, bei denen mehr als 350 ZivilistInnen ermordet wurden – darunter zu einem großen Teil Alte, Frauen und Kinder. Der Reinickendorfer war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad.

Wir rufen weiterhin zu einer Kundgebung in der Nähe des Wohnhauses von Helmut O. auf, fordern seine Auslieferung und kritisieren außerdem die reaktionäre Politik der Berliner Polizei aufs Schärfste.

KUNDGEBUNG „Keine Ruhe für NS-Kriegsverbrecher!“
am Sa, 16. Juli um 12 Uhr Lindauer Allee / Klenzepfad

NS-Täter: Kundgebungsverbot angedroht!

Artikel aus Indymedia vom 14.07.11


Die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei drohte am heutigen Donnerstag mit einem weiträumigen Flächenverbot für die angemeldete Kundgebung anlässlich der Verurteilung des Reinickendorfer NS-Kriegsverbrechers Helmut O. Sein Anwalt fordert darüber hinaus ein völliges Verbot der Kundgebung. Die AG Reggio-Emilia kritisiert die reaktionäre Politik der Berliner Polizei, die eine Aufklärung der AnwohnerInnen bewusst verhindert und ruft weiterhin zu Protesten so nah wie möglich am Wohnhaus von Helmut O. auf. 

Mit der Begründung des Schutzes der Privatsphäre des in einem öffentlichen Verfahren verurteilten NS-Kriegsverbrechers Helmut O. verlangte die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei heute die Verlegung der in Reinickendorf angemeldeten Kundgebung „Keine Ruhe für NS-Kriegsverbrecher!“. Ursprünglich war sie an der Kreuzung Becherweg/ Lübener Weg - in der unmittelbaren Nähe seines Wohnhauses - angemeldet. Nun wird die Kundgebung erzwungenermaßen an der Ecke Lindauer Allee/ Klenzepfad stattfinden, außerhalb des Wohngebietes. Die Kundgebung verliert damit gänzlich den Bezug zur Nachbarschaft des Verurteilten. Ein wichtiges Ziel der Proteste ist die Aufklärung der AnwohnerInnen.

Der ehemalige Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. muss trotz der rechtskräftigen Verurteilung seine Haftstrafe nicht antreten, da der deutsche Staat ihn nicht ausliefert: Deutschland weigert sich bis heute, NS-Kriegsverbrecher ohne ihr Einverständnis auszuliefern. Die wenigsten NS-Täter wurden für ihre Taten bestraft. In Deutschland wird man nicht gerne daran erinnert, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus von Deutschen begangen wurden. Daher leben die Täter weiterhin ungestört in unserer Nachbarschaft - einer von ihnen eben auch in Berlin-Reinickendorf.

Das nun dargebotene Schauspiel deutscher Tradition fügt sich in eine Kontinuität ein, welche in Westdeutschland bereits in den 50er Jahren etliche hochrangige Nazis wieder in Posten brachte, um Polizei und Geheimdienst der BRD aufzubauen. Bis heute wird in Deutschland nur halbherzig gegen deutsche Nazis und NS-Kriegsverbrecher vorgegangen und wie nun mal wieder deutlich wird, ist sich die deutsche Polizei selbst im Jahr 2011 nicht zu schade, die Privatsphäre eines öffentlich verurteilten NS-Kriegsverbrechers über eine öffentliche Aufklärung der BewohnerInnen zu stellen. Nicht nur dass die Berliner Polizei einen verurteilten NS-Massenmörder aufgrund der Politik der Bundesregierung nicht festnehmen muss und ausliefert, sondern darüber hinaus - in scheinbar vorauseilendem preußischen Gehorsam - die von der AG Reggio-Emilia kritisierte Ruhe durchsetzt, damit er seinen Lebensabend ohne von Protesten gestört zu werden genießen kann, muss als politische Entscheidung gewertet werden. Mit dem angedrohten Verbot hat die Berliner Polizei das Ziel einer Aufklärung der Nachbarschaft erfolgreich vereitelt. Zu Kompromissen war sie nicht bereit. Außerdem hat sich nach Informationen der Versammlungsbehörde nun auch der Anwalt des NS-Kriegsverbrechers Helmut O. eingeschaltet. Er verlangt ein völliges Verbot der Kundgebung.

Protest gegen Unmenschen

Artikel aus der taz vom 13.07.11
Zu lebenslanger Haft verurteilter Kriegsverbrecher lebt in Reinickendorf. Ein antifaschistisches Bündnis will dort für seine Auslieferung an Italien demonstrieren

Am kommenden Samstag wird es am beschaulichen Becherweg im Stadtteil Reinickendorf unruhiger als sonst. Für 12 Uhr ruft ein antifaschistisches Bündnis dort zu einer Kundgebung auf. Ganz in der Nähe wohnt der 91-jährige Helmut Odenwald, der am 6. Juli vom Militärgericht im italienischen Verona zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde. Er ist einer von sieben Angehörigen der Wehrmachtsdivision "Hermann Göring", denen das Gericht die Beteiligung an Massakern an der Zivilbevölkerung im Frühjahr 1944 in Norditalien nachgewiesen hat. Das Gericht verurteilte den damaligen Hauptmann und Kommandanten der Flakbatterie der Division wegen der Beteiligung an drei Massakern, darunter der Tötung von EinwohnerInnen in den Dörfern Monchio, Susano und Costrignano in der norditalienischen Provinz Modena am 18. März 1944.
Nach Auseinandersetzungen mit Partisanenverbänden war die Wehrmachtsdivision in die Orte eingerückt und hatte Jagd auf Menschen gemacht. "Zuerst in dem Dorf Susano, wo die Soldaten systematisch jedes Haus, jeden Stall, jede Scheune, jeden Hofplatz durchsuchten", fasst die Journalistin und Prozessbeobachterin Marianne Wienemann die Aussagen der ZeugInnen zusammen. Die Bewohner seien auf der Stelle erschossen worden. Die jüngsten Opfer seien 3, 4 und 7 Jahre alt gewesen. In dem Ort Civiga, den die Wehrmachtsdivision am 20. März 1944 besetzt hatte, wurden an einem Tag 27 ZivilistInnen getötet und alle Häuser niedergebrannt. Weil die italienische Regierung während des Kalten Krieges die Akten in einen Geheimschrank sperrte, vergingen mehr als 60 Jahre bis zum Urteil.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Spiegel-TV zum Verona-Prozess

Spiegel TV hat mit Angehörigen der Opfer, einem ehemaligen Mitglied der Wehrmachtseinheit "Hermann Göring" gesprochen und veröffentlicht Ausschnitte von abgehörten Telefongesprächen zwischen jetzt verurteilten NS-Tätern.

Video auf Spiegel-TV angucken

Urteilsspruch online

Hier ist der Urteilsspruch vom Veronaer Militärgericht im Original zu finden:
http://issuu.com/kobayashi/docs/cervarolo_dispositivo_sentenza_verona_winkler/23